Das Thema der diesjährigen Jahresausstellung lautet Paradies.
Der Begriff Paradeisos taucht erstmals im Dialog Der Ökonom des griechischen Philosophen Xenophon auf. Darin diskutiert dieser die politischen und wirtschaftlichen Vorzüge des persischen Königs. Dieser König lässt in allen Ländern, die er beherrscht, Orchideenhaine und umgrenzte Parks anlegen, die Xenophon Paradeisos nennt. Auf diese Weise fand der Begriff für die Idee vom Garten Eden Eingang in die griechische Übersetzung der Bibel.
Die Rede vom Paradies ist alt. Fast alle Weltreligionen und Hochkulturen haben eine und überliefern sie in Texten. Das Paradies – sei es in den religiösen, mythischen oder prosaischen Texten – ist damit wesentlich älter als die christliche Vorstellung. Man verbindet damit das Bild eines friedlichen Ortes, meistens einem Garten, in dem Menschen und Tiere harmonisch und sorgenfrei miteinander zusammenleben. Über allem wacht eine greifbare Macht und achtet auf die Erfüllung aller lebenswichtigen Bedürfnisse seiner Bewohner. Insofern weckt der Begriff Paradies Visionen von sprudelnden Quellen und unerschöpflichem Pflanzenreichtum.
Was kann das Thema Paradies für einen Künstler bedeuteten? Schaut man sich vergangene Kunstepochen an, dann finden sich viele Kunstwerke, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Das Paradies war durch alle Zeiten ein sehr beliebtes Motiv. Lucas Cranachs Darstellung des christlichen Garten Edens (1530) wurde ein Vorbild für viele Künstler. Gleiches gilt für Pieter Bruegels Schlaraffenland (1567). Giorgione erweckte in seinem Ländlichen Konzert (1505-10) das arkadische Schäferidyll. Und Claude Manet gab einen ironisch, kritischen Kommentar zum bürgerlichen Selbstverständnis in seinem berühmten Bild Das Frühstück im Freien (1863). Ab dem 19. Jahrhundert wurde das Paradies zunehmend etwas, das man in der Ferne und in fremden Kulturen finden konnte. So verdeutlichen beispielsweise Eugene Delacroix das magische Morgenland und Paul Gauguin den Südseetraum Tahitis.
Diese ortsgebundene Vorstellung reicht bis in unsere säkularisierte und aufgeklärte Zeit. Ganz banal gesagt: Wir reden vom Heimwerker-, Steuer- oder Ferienparadies und holen damit den Begriff in die Welt des Konsums und der Werbung. Die heutigen Paradiese sind käuflich. Wir können sie besuchen und nach unseren persönlichen Bedürfnissen einrichten. Die mystischen Paradiese – sei es ein Garten Eden, das Schlaraffenland oder Arkadien – liegen weit entfernt in der Vergangenheit oder im Jenseits. Zwischen den Mythen und den realen Paradiesen unserer Zeit herrscht ein deutlicher Unterschied. Diese Fallhöhe bewirkt, dass uns heute die Rede vom Paradies als naiv und langweilig erscheint.
Die Haltung zum Paradies hat sich heute verändert. Grundsätzlich findet man die Vorstellung vom Paradies immer noch gut und erstrebenswert. Aber sich gerade im Angesicht von Flüchtlingsströmen, Umweltzerstörung, Burnout, Weltwirtschaft und politischen Manövern damit auseinanderzusetzen, fällt schwer. Das macht die Thematik für die Kunst hoch aktuell. Denn nur hier kann man sich mit diesem Zwiespalt beschäftigten, den das Paradies damals und heute erweckt. Und nur hier kann man dem Gefühl des Verlusts sowie der Sehnsucht nach einem Ort des Glücks und der Harmonie mit sich und der Umwelt ein Gesicht geben.
Der Kunstverein DIE ROSENINSEL freut sich, die Auseinandersetzung mit diesem facettenreichen Thema in seiner aktuellen Jahresausstellung präsentieren zu können.
(Textbeitrag von Vivien Rathjen M.A.)
Beginn | 5. November 2015 um 10:00 Uhr |
Ende | 11. November 2015 um 8:00 Uhr |
Ort | Schlossberghalle Starnberg Vogelanger 2 82319 Starnberg www.schlossberghalle-starnberg.de |